Der Bierrechtstag begann mit einer herzlichen Begrüßung der Organisatoren: Prof. Dr. Kai Purnhagen vom Lehrstuhl für Lebensmittelrecht am Campus Kulmbach der Universität Bayreuth, Markus Stodden, Sprecher des Vorstands, Kulmbacher Brauerei AG und Dr. Helga Metzel, Geschäftsführerin der Museen im Kulmbacher Mönchshof.
In einer Keynote gab Walter König, Geschäftsführer des Bayerischen Brauerbunds, einen Überblick über die Thematik. König stellte dar, dass Nachhaltigkeit bereits seit mehreren Jahren auf der Agenda des Brauereisektors steht. Vor allem große Brauereikonzerne besetzen das Thema medienwirksam. Diese können auch tatsächlich bestimme Ressourcen, z.B. Energie und Wasser, effizienter einsetzen. Bei einer ganzheitlichen Betrachtung trägt aber gerade auch die kleinteilige, regionale Bierproduktion viel zu einer nachhaltigen Entwicklung bei, z.B. durch Nutzung regionaler Rohstoffe. Kleine Brauereien leisten oft auch einen nachhaltigen ökonomischen und sozialen Beitrag in ihrer Region. Dieser Beitrag wird aber häufig nicht angemessen berücksichtigt. Der Bayerische Brauerbund entwickelte daher einen digitalen Nachhaltigkeitsmanager, der gerade auch kleineren Brauereien eine effektive Analyse, Steuerung und Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen ermöglichen soll.
Im ersten Vortragsblock kamen dann Perspektiven der Verwaltung und Politik zu Wort:
Fabian Handrich vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gab Einblicke in die Umsetzung der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, besonders im Hopfensektor. Er wies auch darauf hin, dass das Bundesministerium bei der Verleihung der Bundesehrenpreise für die besten Brauereien Deutschlands zukünftig Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen will. Prof. Dr. Richard Balling vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beschäftigte sich vor allem mit der regionalen Identität von Bier und der Frage, wie Nachhaltigkeit in diesem Zusammenhang definiert werden kann. Er macht deutlich, dass Nachhaltigkeit immer auch mit Wirtschaftlichkeit verknüpft sein muss.
Der oberfränkische Europaabgeordnete Malte Gallée wies auf die umfangreichen Gesetzgebungsprojekte der EU in den Bereichen Klimaschutz, Ernährungssicherheit und Kreislaufwirtschaft hin. Brauereien könnten bei der Kreislaufwirtschaft eine Vorreiterrolle spielen. Der Landtagsabgeordnete Martin Schöffel, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Bayerischen Landtags, stellte klar, dass Klima- und Ressourceneffizienz auch auf Landesebene als vordringliche Prioritäten angesehen werden. Einige der im Rahmen der Farm to Fork Strategie der EU geplanten agrarpolitischen Maßnahmen müssten im Lichte der aktuellen Rohstoffengpässe neu bewertet werden.
Im zweiten Vortragsblock brachten drei Wissenschaftler der Universität Bayreuth Perspektiven der Rechtswissenschaften ein:
Prof. Markus Möstl beschäftigte sich mit Grenzen staatlicher Regulierung im Lebensmittelrecht. Auch weiche Regelungsinstrumente, wie Nudging, unterliegen verfassungsmäßigen Schranken und dürfen nicht unverhältnismäßig in individuelle Freiheiten eingreifen. Im Bereich Klimaschutz ist der staatliche Handlungsspielraum allerdings größer.
Dr. Tilman Reinhardt ging auf Möglichkeiten der Selbstregulierung in der Bierbranche ein: Anhand des Weinsektors stellte er dar, wie geographische Herkunftsbezeichnungen und Nachhaltigkeit verbunden werden können. Außerdem warf er die Frage auf, inwiefern das Reinheitsgebot Nachhaltigkeit und Innovation beeinflusst. Ein Reinheitsgebot des 21. Jahrhunderts könnte z.B. auch Klimaneutralität, Rückstandsfreiheit und eine Einbindung der Brauereien in die Kreislaufwirtschaft umfassen.
Prof. Kai Purnhagen diskutierte aktuelle Gesetzgebungsverfahren der EU zu Nachhaltigkeit im Lebensmittelrecht. Allen voran der Green Deal und die Farm to Fork Strategie sollen als Wegweiser für Nachhaltigkeit gelten und beinhalten eine umfassende Anpassung verschiedener Rechtsakte. Geplant ist insbesondere eine völlig neue Gesetzgebung zu Nachhaltigkeit im Lebensmittelsystem. Purnhagen machte auch deutlich, welche großen Herausforderungen die geplanten Veränderungen für alle Akteure bringen werden.
Am Nachmittag folgten in einem dritten Block Perspektiven aus der Praxis:
Dr. Frithjof Thiele, Kulmbacher Brauerei AG, stellte dar, wie effiziente Ressourcennutzung in der Kulmbacher Brauerei verwirklicht wird. Entscheidend ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess, bei dem auch etablierte Lösungen immer wieder hinterfragt werden. Prof. Döpper von der Universität Bayreuth und Jörg Binkert von der Braumaschinenfabrik Kaspar Schulz aus Bamberg präsentierten Verfahren zur CO2-Rückgewinnung und Kreislaufführung. Mittlerweile gibt es marktreife technische Lösungen auch für kleinere und mittlere Braustätten, die in der Praxis aber noch eingeführt werden müssen.
Miriam Schneider vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels in Brüssel stellte dar, dass die Vielzahl neuer Gesetzgebungsakte auch für Verbände eine Herausforderung ist. Bei der Definition eines nachhaltigen Lebensmittelsystems sind noch einige Fragen offen. Christian Holländer, Geschäftsführer der fjol-digital Nachhaltigkeitssoftware & -beratung, gab einen fundierten Einblick in den „digitalen Nachhaltigkeitsmanager“. Dieser wurde zusammen mit dem Bayerischen Brauerbund entwickelt und wird aktuell bei Brauereien eingeführt. Schließlich stellte Dr. Matthias Konrad von der Bayern Innovativ verschiedene Förderstrategien für eine ökologisch nachhaltige Transformation vor, z.B. das Kompetenz-Netzwerk Digitale Landwirtschaft Bayern oder die EnergieEffizienz-Netzwerk-Initiative.
Zum Abschluss des Bierrechtstages wurden die verschiedenen Perspektiven aus Verwaltung, Politik, Wissenschaft und Praxis noch einmal im übergeordneten Zusammenhang diskutiert: Lisa Badum, Mitglied des deutschen Bundestages, hob die Komplexität der Herausforderungen hervor. Trotz dieser Komplexität müsse es darum gehen, die vielfältigen Brauereistrukturen zu erhalten. Dies unterstrich auch Dr. Lothar Ebbertz, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbunds, in der von Dr. Lydia Junkersfeld, Chefredakteurin der Brauwelt, moderierten Podiumsdiskussion.: Beim Bier stehe Tradition für Nachhaltigkeit. Braumeister arbeiten so, dass die nächsten Generationen weiterbrauen können. Prof. Purnhagen betonte, dass es trotzdem darum gehen muss, möglichst schnell klimaneutral zu werden. Zahlreiche Wortbeiträge aus dem Publikum unterstrichen das Bewusstsein für die Thematik.
Alle Beteiligten hielten es für wichtig, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten und die verschiedenen Blickwinkel zusammenzuführen. Wenn dies gelingt, kann der Bayerische Brauereisektor Vorreiter bei der Nachhaltigkeitstransformation des Lebensmittelsystems sein.
Der 1. Kulmbacher Bierrechtstag – ein Tag, der sich nachhaltig lohnen wird: Eine Fortsetzung ist garantiert.